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Das Schwarzwaldhaus aus dem 3D-Drucker
Sie wollten einen Ort schaffen, „der Menschen zusammenbringt, inspiriert und begeistert.“ Aus dem Herzensprojekt von Unternehmerin Gabriele Siedle und ihres verstorbenen Mannes Horst ist mit dem Siedle Haus Wirklichkeit geworden.
Das kulturelle Zentrum macht ab Ende 2024 in Furtwangen die beeindruckende Kunstsammlung der beiden Stifter öffentlich zugänglich und erlebbar. Das Besondere: In seinem Inneren, dem Herzstück und musealen Gebäudebereich, steht der maßstabsgetreue Betonabguss eines Wohnhauses aus dem Siedle Familienbesitz.
voxeljet hat mit großformatigen 3D-Druckern für das einzigartige Bauwerk 1067 Fassaden-Schalungselemente und matrizen additiv gefertigt. Das Gemeinschaftsprojekt involvierte zahlreiche Architekturbüros, Planer:innen und Gewerke. Die Umsetzung des anspruchsvollen Neubaus erfolgte durch Brandlhuber+Hotz+Architekten, einem projektbezogenen Bürozusammenschluss von Arno Brandlhuber b+ aus Berlin sowie hotz+architekten aus Freiburg unter der Leitung von Michael Eichmann.
Die Geschichte der Firma Siedle legt den Grundstein für das Siedle Haus
Furtwangen zählt 9.000 Einwohner und liegt mitten im Schwarzwald und. Hier produziert das Familienunternehmen Siedle bereits seit 1750. Die Gegend blickt auf eine lange Geschichte bei der Herstellung von Uhren und feinmechanischen Produkten zurück. Was für die Firma Siedle hier in einem Schwarzwaldhaus mit Gussteilen für die Uhrenmanufaktur begann, wandelte sich mit einem Fabrikneubau 1870 zu einem Industrieunternehmen. Heute kennt man Siedle weltweit für seine Gebäudekommunikationstechnik, Haus- und Türsprechanlagen.
Von der Idee…
In den 1980er Jahren begannen die heutige Geschäftsführerin Gabriele Siedle und ihr Mann Horst, Kunst zu sammeln. Ihre große Sammlung umfasst Werke der Klassischen Moderne, etwa von Pablo Picasso und Ernst Ludwig Kirchner, und ist im Besitz der gemeinnützigen Horst und Gabriele Siedle Kunststiftung. Die Werke sowie verschiedene Kunst- und Bildungsformate werden künftig im Siedle Haus präsentiert.
…zum Konzept des „Hauses im Haus“
Im Inneren des Siedle Hauses befindet sich der Betonabguss des ehemaligen Bestandsgebäudes. Er bildet den Kern der Architektur und konnte nur mittels 3D-gedruckter Matrizen so detailgetreu realisiert werden. Durch die Möglichkeiten der additiven Fertigung – mithilfe äußerst detaillierter Scans und CAD-Daten – machte voxeljet das zuvor marode Gebäude nun für die Ewigkeit haltbar. Der Fassadenabguss in Beton bildet das Haus im Haus. Die Außenfassade des Originalhauses in invertierter Form ist jetzt die Innenfassade des neuen Ausstellungsraums, in dem die Kunstsammlung ihren Platz findet.
Der Innenraum wird ummantelt von einer imposanten Holzkonstruktion mit bis zu 25 Metern Spannweite und Dachflächen, die wie beim klassischen Schwarzwaldhaus fast bis zum Boden reichen. Eine umlaufende und bis zu 13 m hohe Glasfassade umhüllt das Gebäude und macht es gleichzeitig offen und zugänglich.
"Um den maximal detailgetreuen Abguss des ehemaligen Wohngebäudes zu realisieren, wurde ein spezielles und bisher einzigartiges Verfahren entwickelt, welches in dieser Form und Größe noch nie umgesetzt worden ist."
Michael Eichmann, Architekthotz architekten
Das marode Schwarzwaldhaus wird digital wieder lebendig
Der Betonabguss des alten Bestandsgebäudes bildet nun das Herzstück des Siedle Hauses. Das Schweizer Büro jbks lab erfasste die Hausfassade digital mithilfe eines Scan-Verfahrens, das Laservermessung und Photogrammetrie kombiniert. „Um den maximal detailgetreuen Abguss des ehemaligen Wohngebäudes zu realisieren, wurde ein spezielles und bisher einzigartiges Verfahren entwickelt, welches in dieser Form und Größe noch nie umgesetzt worden ist“, erläutert Michael Eichmann, der leitende Architekt von hotz architekten.
Das entstandene digitale und detailgetreue 3D-Fassadenabbild diente voxeljet als Grundlage für die Herstellung ihrer großformatigen Schalungsmatrizen. Die Matrizen lassen die charakteristischen Holzschindeln ebenso erkennen wie jegliche Risse, Löcher oder gar Moos auf der ehemaligen Fassade.
Das Herzstück des Siedle Hauses kommt von voxeljet
Erst voxeljets 3D-Druck übersetzt die digitale Theorie in sichtbare Praxis. Basierend auf den CAD‑Datensätzen entstand beim Spezialisten für additive Fertigung Schicht für Schicht der Innenraum des Siedle Hauses. Aus rund 425 Gigabyte an CAD-Daten entstand die gedruckte Gesamtfläche von 720 Quadratmetern. Dafür wurden die hochpräzisen Daten bei voxeljet ab September 2021 im 3D‑Sanddruckverfahren auf 1067 Schalungsmatrizen in Europaletten-Größe gedruckt. Rund 10 Monate lang bildeten großformatige 3D-Drucker so detailgetreu und präzise ab, was sich im Inneren des Siedle Hauses befindet. Die Liebe zum Detail aller Involvierten übertrug voxeljet so auch auf die additive Fertigung der Matrizen-Unikate.
Im Binder-Jetting-Verfahren entstehen detailgetreu 150.000 Liter Schindelabdrücke
Beim Projekt kam der Binder-Jetting-Druckprozess und insbesondere der industrielle 3D-Drucker VX4000 von voxeljet zum Einsatz, eines der weltweit größten 3D-Drucksysteme für Sand. Der Drucker verfügt mit einer Baufläche von 4x2x1 Metern über ein Druckvolumen von circa 8 Kubikmetern. Die Schalungsmatrizen, jede etwa 20 cm dick, bildeten damit ein Gesamtvolumen von mehr als 150.000 Litern aus geplottetem Sand. Der gesamte Druckauftrag umfasste rund 22 vollgedruckte Boxen des VX4000.
Im Druckprozess trägt ein Beschichter, der sogenannte Recoater, eine 300 Mikrometer dünne Schicht Quarzsand auf der Bauplattform auf. Anschließend fährt der Druckkopf über diese beschichte Plattform und druckt einen Binder präzise auf die Stellen, an denen die Matrize entstehen soll und verklebt dort den Sand selektiv. Ist eine Schicht gedruckt, heben sich Recoater und Druckkopf um exakt eine Schichtdicke und die nächste Schicht entsteht. Diese Reihenfolge wiederholt sich, bis das Bauteil vollständig gedruckt ist. Anschließend wird es entpackt, sprich aus dem Druckbett gehoben und von unbedrucktem Sand befreit.
Im Fassadenbau ist das Binder-Jetting-Verfahren mittlerweile eine der führenden additiven Technologien. Durch seine hohe Produktivität und Skalierbarkeit können auch großformatige und hochkomplexe Projekte wie das Siedle Haus kostenwirtschaftlich und mit haarfeiner Präzision umgesetzt werden.
Präzision jenseits von traditioneller Fertigung
Konventionelle Fertigungstechniken hätten den Detail- und Komplexitätsgrad, den voxeljet mithilfe des 3D-Drucks abbilden konnte, nicht realisieren können. Dank der feinen Drucktechnologie sind selbst die Jahresringe der Holzbalken an den Stirnseiten sofort erkennbar. Die Unvollkommenheit des ehemaligen Wohnhauses ist die raumprägende Ästhetik bei voxeljets Drucken der Schwarzwaldschindeln in Tiefschwarz. Funktionsintegrierend wurden in den gedruckten Matrizen schon Aussparungen für Lichter und Kameras im künftigen Museum mitgedacht und -gedruckt. Nachträgliche Bearbeitungen auf der Baustelle waren dadurch nicht notwendig.
Alle 1067 Matrizen wurden im Anschluss mit Epoxidharz verfestigt, um den einzelnen Platten mehr Stabilität für die weiteren Prozessschritte zu geben. Die anschließende Abformung der Matrizen mit einem speziellen PU-Schaum durch die Firma Reckli und der Abguss in Beton durch die Firma Wackerbau konnten alle Fehlstellen im Wohnhaus durch die Verwendung eines sehr feinen, weißen Betons homogenisieren. So entstand letztendlich das Negativ des alten Hauses.
Additive Fertigung in der Architektur mal anders
Im Bereich Architektur spielt additive Fertigung schon länger eine Rolle. Während sich die meisten Ansätze und Technologien auf den direkten Druck von Beton fokussieren, entstand bei voxeljet die Idee, 3D-Druck und Betonguss durch gedruckte Schalhäute miteinander zu kombinieren. In den letzten acht Jahren hat der Druckspezialist diesen Ansatz stetig weiterentwickelt. Auf erste Tests und Studien folgte eine 80m² große Decke einer Forschungsbaustelle sowie der erste Einsatz auf einer realen Baustelle in Leipzig, bei dem es um eine komplexe Wendeltreppe ging.
Die steile Erfahrungskurve, gepaart mit 400 Tonnen monatlicher Druckkapazität in voxeljets 3D-Druckdienstleistungszentrum, führten schließlich dazu, dass auch die Ergebnisse für das Siedle Haus bis zum Schluss überzeugen. Neben seiner Kunst- und Kulturfunktion zeigt das Siedle Haus eindrucksvoll, welche einzigartigen Möglichkeiten die additive Fertigung der Architektur bietet und wie durch Interdisziplinarität und handwerkliches Geschick ein beeindruckendes und einzigartiges Denkmal entstehen konnte.
Zusammenarbeit ist alles beim Gemeinschaftsprojekt
Mehr als 30 involvierte Gewerke konnten nur durch die enge und produktive Zusammenarbeit erreichen, was sich Gabriele und Horst Siedle für ihre Stadt Furtwangen gewünscht haben. Jörg Kaltmaier, Manager Customer Recruitment und Projektleiter bei voxeljet, hat die Arbeit an dem komplexen gemeinsamen Ziel als sehr positiv empfunden: „Die bloße Projektdimension und das detailgetreue Vorgehen haben uns gleich beeindruckt. Wenn man das Siedle Haus live sieht, wird einem schnell klar, dass es nicht nur Kunst beherbergt, sondern selbst ein einzigartiges Kunstwerk ist. Durch die enge Abstimmung und das großartige Zusammenspiel der Gewerke, Experten und Expertinnen konnten wir alle gemeinsam eine einzigartige Vision für die Ewigkeit realisieren.“
Für Ende 2024 ist die Eröffnung des Kunst- und Kulturzentrums geplant. Mit dem Betonabguss als architektonischem Kern nimmt das Siedle Haus nun eindrucksvoll Bezug auf die Region und die Ursprünge des Unternehmens. Denn auch die Geschichte der Firma Siedle begann Mitte des 18. Jahrhunderts mit dem Gießen von Glocken und Uhrenteilen – in einem Schwarzwaldhaus.
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